Eine Wanderbeschreibung von Herrn Karl-Heinz Drescher, Shukowstr. 56, 04347 Leipzig, Tel. 03 41 / 2 32 60 78
Eigentlich sollte es der 17. Juli
2003 sein an dem diese Wanderung zur Schneekoppe stattfinden sollte. Vor 65
Jahren bin ich in Krummhübel, am Fuße der Schneekoppe, geboren und da darf man
schon den Wunsch hegen, an diesem Jubiläum auf Schlesiens höchsten Berg, sozusagen
auf seinen Hausberg, zu stehen. Dringende familiäre Angelegenheiten ließen diesen
Wunsch scheitern. Nun war es der 7. August 2003 geworden.
Ein Gedicht "Abschied von Krummhübel" beginnt mit den Worten:
Wer in Polen mit Frühstück bucht
hat es schwer, ohne dasselbe, früh im Dämmern zum Hochwald aufzusteigen, denn
man frühstückt relativ spät.
Ein klärendes Gespräch mit dem freundlichen Wirt bewirkte eine Vorverlegung
um eine Stunde. Die Dämmerung war auch da schon vorbei, aber es war noch früher
Morgen als ich von meinem Quartier, der "Willa Grotta", in Krummhübel aufbrach.
Das Haus hieß früher "Wilhelmshorst", alias Pension Eckersdorf und lag am Denkmalsweg.1945
wohnte die erst kürzlich verstorbene Frau Nöldner, verh. Fethkenheuer in dem
Haus.
Nach wenigen Metern überquerte ich den Kleinen Seifen und das Grundstück der
Villa Christa und erreichte den Wald am Friedhof. Es war noch kühl, die Sonne
jedoch schien schon durch das Blätterdach, es sollte einer jener heißen Sommertage
werden, wie man sie in diesen Jahr zuhauf hatte.
Beim Baugeschäft Gräbel erreichte ich die Wolfshauer Chaussee und kurze Zeit
später bog ich bei Marienruh, besser bekannt als Breslauer Kinderheim, in Richtung
Wolfshau ab. Am Breslauer Kinderheim steht ein noch nicht vollendeter moderner
Neubau und das schon seit Jahren. Die Bautätigkeit ist eingestellt und das auch
seit längerer Zeit. Ein großes Schild, mit ebenso großen Lettern verkündigt
zwar, hier wird mit Mitteln aus dem Kulturfond der Bundesrepublik Deutschland
gebaut, aber scheinbar sind die Mittel gekürzt, vielleicht sogar ausgegangen.
Von Wolfshau aus führen zwei der herrlichsten Wanderwege auf den Riesengebirgskamm.
Der eine verläuft an der Kleinen Lomnitz aufwärts durch den Melzergrund und
der zweite durch den an landschaftlichen Reizen nicht minder schönen Eulengrund
an der Plagnitz entlag. Ersteren war ich schon zweimal gegangen. Er ist ebenfalls
sehr reizvoll, aber nur was die Landschaft betrifft. Der Weg selbst verdient
teilweise diese Bezeichnung nicht. Hier hat Wegebau nach 1945, wie auch in anderen
Gegenden unseres Gebirges, nicht mehr stattgefunden.
Ich wählte den Weg mit schwarzer Markierung an den Rabensteinen vorbei in Richtung
Eulengrund. Der urwüchsige Eulengrund ist nicht nur uraltes Bergbaugebiet, Erze,
Edelsteine, Gold und Silber wurden bis in die 2. Hälfte des 19. Jh. abgebaut,
sondern wegen seines Pflanzenreichtums auch interessant für Botaniker. Am 2.
Januar 1999 bin ich mit Kindern und vier Enkelkindern (unter 12 Jahren) diesen
Weg, er war damals völlig vereist und schwer begehbar, zur Schneekoppe gewandert.
Unterwegs hatte ich von seltenen Gold- und Silberfunden in diesen Gebiet erzählt.
Die Folge war eine übereifrige Sammelaktion von glitzernden Steinen, die bald
unsere Rucksäcke füllten. Sehr energisch musste die Sammelaktion gestoppt und
die Enkel zum weiter wandern bewegt werden.
An der steinernen Brücke, hier zweigt der Weg mit grüner Markierung zu den Forstbauden
ab, gab es nach einer Stunde die erste Rast. Am Rastplatz hatten sich schon
Wanderer eingefunden und weitere Wanderer überholten uns. Der Weg wird also
angenommen. Von hier ab plätscherte die Plagnitz, die im Sumpfgebiet an der
Schwarzen Koppe ihren Ursprung hat, auf der linken Seite zu Tale. Der heiße,
regenarme Sommer hatte noch etwas Wasser übriggelassen, genug um die Wasserflasche
mit dem kristallklaren Wasser aufzufüllen. Nun ging es in allmählichen Steigungen
bergan. Der Weg war erstaunlicher Weise in einem guten Zustand, er wird forstwirtschaftlich
genutzt. Am 30. Juli 1897 wurde er durch lang anhaltende Wolkenbrüche fast vollständig
zerstört, vom Riesengebirgsverein aber wieder hergestellt. Kurz vor dem Mittelberg
waren Waldarbeiter mit Aufforstungsarbeiten beschäftigt. Eine Verständigung
scheiterte an der Sprachbarriere. Man zeigte mir aber die Schösslinge, es war
Ahorn.. Bei Quirl, von der Strasse Hirschberg nach Krummhübel aus zu sehen,
befindet sich eine wissenschaftliche Einrichtung zur Züchtung resistenter Baumsorten,
die das Waldsterben in der Kammgegend vergessen machen sollen.
Am Mittelberg geht es nun sehr steil in Windungen nach oben. Atemnot stellt
sich ein. Herrliche Rückblicke auf Brückenberg und Krummhübel, auf weite Teile
des Hirschberger Tales belohnen die Mühen des Anstiegs. Beim Bergansteigen gilt:
"Kurz treten!" und "Rückblick!" Schon Goethe sagt: "Es ist ein Fehler bei Fußreisen,
das man nicht oft genug rückwärts sieht, wodurch man die schönsten Aussichten
verliert."
Auf der Hochfläche des Mittelberges wird das Waldsterben im Riesengebirge besonders
deutlich. Ein Geisterwald ist entstanden. Bis zur Einmündung des Eulengrundweges
in den Faltisweg (Kammweg) sind es nur noch wenige Meter.
Die Einmündung heißt heute Eulenpass (polnisch Przelecz Sowia), 1164m. In alten
Reiseführern wird von der "Einsenkung" zwischen der Schwarzen Koppe und Schmiedeberger-
oder Forstkamm geschrieben. Heute ist der Pass auch Grenzübergang. Zwischen
8.00 Uhr und 18.00 Uhr kann im Sommer die Grenze zu touristischen Zwecken passiert
werden, so steht es am Rastplatz. Hier oben war eine rege Wanderbewegung festzustellen.
Viele Touristen benutzen den Parkplatz an den Grenzbauden, um auf relativ bequemen
Weg zur Schneekoppe zu wandern. Der Rastplatz war fast überfüllt.
Mich zog es auf dem sehr gut instandgesetzten Weg zur Emmaquellbaude / tschechisch
Jelenka. Der Weg bis dorthin und weiter zur Schneekoppe heißt Faltisweg, genannt
nach einem Fabrikbesitzer gleichen Namens aus Trautenau / Trutnov, der ein Gönner
des Gebirges war.
Schon von weiten war erkennbar, die Baude hatte ein neues Äußeres erhalten.
Noch mehr überrascht war ich beim Betreten der Baude. Auch das Innere war einer
Verschönerungskur unterzogen worden. Geschmackvolle Gardinen und Tischdecken,
rustikaler Wandschmuck, alles sehr sauber, dazu freundliche Wirtsleute. Hier
ließ es sich rasten.
Kurz nach meiner Ankunft füllte sich die Gaststube. An der Kleidung und natürlich
an der Sprache war erkennbar, dass es Landsleute waren. Schnell hatten wir miteinander
Kontakt. Es war eine Wandergruppe vom Riesengebirgsverein (RGV), Ortsgruppe
Braunschweig. Fast alles Heimatfreunde aus dem Riesengebirge und auch einige
Leser der "Schlesischen Bergwacht" darunter. Von ihrem Quartier in Krummhübel
in der "Konradowka" waren sie mit dem Bus bis zu den Grenzbauden gefahren und
von dort in drei Gruppen unterwegs. Die konditionsstärkste Gruppe waren schon
in Richtung Schneekoppe unterwegs, um durch den Melzergrund zurück zugehen.
Die Gruppe in der Baude wollte mit ihrem polnischen Bergführer durch den Eulengrund
zurück und die nicht mehr ganz so rüstigen Heimatfreunde waren mit dem Bus zur
Besichtigung von Schmiedeberg gefahren. Ein gutes Beispiel für das Miteinander
von Wanderern unterschiedlicher Kondition.
Nachdem ich meine Wanderung fortgesetzt hatte, erlebte ich gleich hinter der
Baude die nächste Überraschung. An der Emmaquelle ein neuer Obelisk. "Emmin
Pramen" steht auf der einen Seite und "Emma Quelle" auf der anderen Seite. Man
hatte nicht nur die Baude innen und außen erneuert, auch der Platz an der Emma-
Quelle war neugestaltet worden. Baude und Quelle sind nach der Mutter des damaligen
böhmischen Grundherrn Graf Czernin- Morzin, benannt.
Nach einem Schluck aus der Quelle ging es jetzt zügig den Anstieg zur Schwarze
Koppe bergan. In der Vergangenheit war der Anstieg ein Graus. Auf dem Geröllhang
kam man nur nach dem Motto, zwei Schritt vorwärts, ein Schritt zurück, voran.
Seit vorigem Jahr ist der Weg wunderbar in Ordnung. Er ist immer noch mühevoll,
aber nun gut begehbar. Auf dem weiteren Abschnitt zur Koppe sind in regelmäßigen
Abständen Tafeln mit Erläuterungen über Natur und Landschaft in tschechischer
Schrift aufgestellt. Erneuerung der Baude, Obelisk an der Quelle und diese Tafeln
sind das Werk der tschechischen Nationalparkverwaltung, wie ich aus berufenen
Munde erfuhr.
Wegebau, zwei- und viersprachige Schilder, dagegen sind das Werk von Dr. Klimes
aus Marschendorf bzw. Dunkeltal. Herr Dr. Klimes gibt die Touristenzeitung "Vesely
Vylet", zu deutsch "Ein lustiger Ausflug" heraus. In Dunkeltal betreibt er eine
Pension mit Galerie (Andenkengeschäft mit kleiner Bildergalerie) und in Petzer
ebenfalls eine Galerie.
Dann war der Anstieg zur Koppe erreicht. Die letzte große Hürde musste genommen
werden. In einem Bericht in der Bergwacht 5/85, über unseren unvergessenen Koppenbriefträger
Robert Fleiß, wird die Technik der Gebirgler:
erläutert. Die Technik galt aber wohl doch
mehr für ebenes Gelände. Jetzt galt wieder eher: "Kurz treten" und "Rückblicke".
Aber irgendwann "Kummt ma nuf". Alle Strapazen sind vergessen bzw. liegen hinter
mir, die herrlichen Ausblicke weit ins schlesische und böhmische Land vor mir.
Es war meine 13. Koppenbesteigung ohne Lift.
Der herrliche Sommertag und besonders der bequeme Lift von Petzer hatte wahre
Scharen von Touristen auf die Schneekoppe gelockt. Frauen mit Stöckelschuhen
und Männer in Straßenschuhen und Jackett sind ein grauenvoller Anblick für den
erschöpften Wanderer. Heimatfreund Hans Pohl, Sohn des letzten Schneekoppenwirtes
Heinrich Pohl, berichtete mir von einem Gespräch mit Dr. Klimes im August 2003,
das im nächsten Jahr die Böhmische Baude abgerissen und nicht wieder aufgebaut
wird. Ein Gutachten dazu wurde von Dr. Klimes bereits erstellt. Auch gibt es
Überlegungen, den Lift von Petzer nur bis zum Rosenberg laufen zu lassen. Der
Weg vom Rosenberg zur Schneekoppe wurde schon vor Jahren in eine guten Zustand
gebracht. Dem Berg, aber auch der Gesundheit der Menschen, würde das sicher
gut tun.
Nach einer Einkehr und einem Imbiss ging es auf dem Zick- Zack- Weg zu Tale.
Auch hier wieder Touristenströme in Richtung Gipfel. Am Schlesierhaus war die
Aussichtsplattform auf tschechischem Gebiet in Richtung Riesengrund, mit den
Steinen der Riesenbaude, fast vollendet. Es wurde aber noch gebaut.
Mein Weg führte nun durch den Melzergrund in Richtung Krummhübel. Der Weg ist
im oberen Teil, bis zum polnischen Mahnmal für die Bergopfer, erneuert. Von
da bis zur Melzergrundbaude verdient er die Bezeichnung Weg nicht mehr. Am Lomnitzfall
dann immer die Preisfrage, wurde die Brücke nach der Zerstörung durch das Frühjahrshochwasser
wieder erneuert oder nicht. Meist war letzteres der Fall. Aber die Balken waren
immer in der Nähe. Diesmal war auch das nicht der Fall. Ein Glück das auch hier
die Kleine Lomnitz wenig Wasser führte und man einigermaßen trockenen Fußes
den Bach überqueren konnte.
An der Melzergrundbaude traf ich dann den harten Kern der Wanderer vom RGV,
Ortsgruppe Braunschweig. Sie wollten an der Lomnitz, in Richtung Wolfshau zurück
nach Krummhübel wandern, während ich den leichteren Weg nach der Teichmannbaude
nahm. Nach einer guten Stunde erreichte ich wieder Haus Wilhelmshorst, zur Freude
auch meiner Frau, die immer etwas besorgt meine Alleingänge ins Gebirge verfolgt.
Ein anstrengender, aber wunderbarer Wandertag hatte sein Ende gefunden. Für
mich doch noch ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk.